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Nahrungsergänzung: Der Zweck zählt

 

PKV und Beihilfe müssen zahlen, wenn Mittel als Arzneien ausgewiesen sind

 

Frankfurt/Main (ks) – Wenn ein Nahrungsergänzungsmittel zu Heilungszwecken verordnet wird, dann muß es von privaten Krankenversicherern oder der Behilfe erstattet werden. Es kommt dabei nicht auf die Deklaration als Nahrungsergänzungspräparat an, sondern auf die Zweckbestimmung.

 

Die Bundesbahnbeamten-Kasse hatte sich geweigert, einer bei ihr versicherten Frau die Kosten für das gegen Chronic-Fatigue-Syndrom verordnete Präparat „Gammaplan“ zu erstatten. Grund: Es sei ein Nahrungsergänzungsmittel und daher nicht erstattungsfähig.

Dagegen klagte die Versicherte, unterstützt vom Münchner Rechtsanwalt Dr. Hugo Lanz – mit Erfolg. Das Amtsgericht Frankfurt/Main stellte in der Begründung der Entscheidung fest, daß das Präparat der Klägerin nicht zum Zwecke der Ernährung oder des Genusses verschrieben worden ist, sondern nach medizinischer Indikation zu Heilungszwecken (Az.: 30 C 502/03-75).

Deshalb treffe die Ausschlussklausel, mit der die Erstattung für Nahrungsergänzungsmittel untersagt ist, hier bereits begrifflich nicht zu. Ein krankheitsbedingter Sonderbedarf, der in diesem Falle unbestritten vorlag, werde von der Klausel nicht erfaßt. Deren Sinn und Zweck ziele darauf, nur solche Aufwendungen von der Erstattung auszunehmen, die jemand tätigte, weil er sich nicht ausgewogen ernäht.

Rechtsanwalt Lanz hatte sich namens der Versicherten auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz aus dem Jahre 1998 bezogen. Damals war es um die Verordnung von apothekenpflichtigen, als Nahrungsergänzungsmittel angebotenen Präparaten – darunter auch Gammaplan – bei der Behandlung des Chronic-Fatigue-Syndroms gegangen. Das Land Rheinland-Pfalz hatte die Beihilfe dafür verweigert.

 

Die fraglichen Präparate wurden nur zu Heilungszwecken verordnet

 

Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz kam jedoch zu dem Schluß, daß die Aufwendungen für die vom Arzt aus Anlaß einer Krankheit schriftlich verordneten Arzneimittel beihilfefähig seien, „soweit sie notwendig und angemessen sind“ (Az.: 2 A 13192/96).

Das chronische Müdigkeitssyndrom betreffe zwar ein noch weithin unerforschtes Beschwerdebild, für das es nicht zuletzt deswegen noch keine Standardtherapie gebe. Doch bestehe in der medizinischen Wissenschaft und in der Einschätzung der Gesundheitsbehörden Übereinstimmung darin, daß dem Chronic-Fatigue-Syndrom Krankeitswert beizumessen sei.

Die fraglichen Präparate seien ausnahmslos zu Heilungszwecken verordnet und eingenommen worden, so daß sie als Arzneimittel im Sine des Paragrafen 2, Absatz 1, Nr. 1 Arzneimittelgesetz einzustufen seien. Dem stehe nicht entgegen, daß die Präparate von ihrer Produktbeschreibung her als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden.

Maßgeblich für den Charakter eines Präparates als Arzneimittel sei nicht so sehr der Verwendungswille des Patienten oder des Produzenten, sondern die eindeutige medizinische Indikation des verordneten Mittels.

Wie Rechtsanwalt Lanz betont, gilt die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt/Main konkret für private Krankenversicherer und die Beihilfe, nicht jedoch für die Gesetzliche Krankenversicherung.

Hier kommt es gelegentlich zu dem Kuriosum daß ein Wirkstoff, der sowohl als preisgünstiges Nahrungsergänzungsmittel als auch als teures Arzneimittel auf dem Markt ist, nur in der Form des hochpreisigen Medikaments erstattet wird, nicht jedoch in der billigeren Variante, obwohl beide identisch sind. Nahrungsergänzungsmittel darf die GKV grundsätzlich nicht als Arzneimittel abrechnen.

Es gibt auch Wirkstoffe, die in Deutschland nur als Nahrungsergänzungsmittel angeboten werden, in europäischen Nachbarländern jedoch als Arzneimittel. Wollte ein Arzt diesen Stoff einem GKV-Versicherten verordnen, müßte das Medikament aus dem Ausland beschafft werden.