Was sagen andere über uns?

Patient contra Krankenkasse

 

Jetzt müssen die Sozialgerichte urteilen: Im erbitterten Streit um die Übernahme der Kosten der Sexpille haben die Versicherten gute Karten

 

„Ich zahl´ doch nicht für Leute, die ihr Pulver verschossen haben.“ An Deutschlands Stammtischen kommt die Entscheidung der Krankenkassen gegen „Sex auf Krankenschein“ gut an. Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen schloß vergangenen Montag jegliche Kostenerstattung (geschätzt 15 Milliarden  Mark pro Jahr) für die Erektionspille Viagra aus. Die Solidargemeinschaft dürfe nicht für Fragen „der individuellen Lebensführung“ zur Kasse gebeten werden, assistierte Gesundheitsminister Seehofer.

 

Klingt gut, hat aber wenig Substanz. Für „offen rechtswidrig“ hält der Münchner Patientenanwalt Hugo Lanz den Beschluß. Der Grund: Die geheim tagenden Experten des Ausschusses haben erektive Dysfunktion nicht als Krankheit, nur als Begleiterscheinung eine anderen Leidens wie zum Beispiel Diabetes definiert. Damit würde der Anspruch auf Behandlung entfallen.

 

„So ein Quatsch“, schimpft Gerd Ludwig, Professor der Deutschen Gesellschaft für Urologie. „Erektive Dysfunktion ist seit Jahren als Krankheit anerkannt.“ Das sah das Essener Landessozialgericht im März 1996 genauso und verdonnerte die Bundesknappschaft, ein Potenzmittel zu bezahlen. „Es geht nicht an, daß der Bundesausschuß durch eine einfache Richtlinie den gesetzlichen Anspruch auf Behandlung aushebelt“, entrüstet sich der Düsseldorfer Medizinrechtlicher Christoph Jansen.

 

Pinkanterweise hat das Bundesgesundheitsministerium gut ein Jahr zuvor selbst den Bundesausschuß zurückgepfiffen: Unter Geschäftszeichen 224-44746 teilen Seehofers Ministeriale dem Ausschuß vorsitzenden Karl Jung barsch  mit, es sei „nicht zulässig, daß der Bundesausschuß (...) einen verbindlichen Ausschuß bestimmter Gruppen von Arzneimitteln aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung regelt“. Dies sei „dem Gesetz- oder Verordnungsgeber vorbehalten“. Klartext: Wenn Seehofer Sex auf Kassenkosten verbieten will, muß er dies selber anordnen und kann sich hinter einem Gremium verstrecken. Selbst dann sieht Anwalt Lanz noch Chancen: „Das Mittel von Arzt verordnen lassen, zunächst selbst bezahlen und dann die Rechnung zur Kostenerstattung bei der Kasse einreichen“, rät er. Lehnt sie ab, zunächst Widerspruch einreichen. Bleibt auch der erfolglos, kann jeder Versicherte kostenlos vor dem Sozialgericht klagen. Dazu hatten auch die Essener Sozialrichter ermuntert.